Die Islamische Republik Iran und die Minderheitenrechte

Fragen der Gesellschaft für Bedrohte Völker an Nasser Iranpour, Journalist

 

Vorbemerkung:

Iran und Irak weisen große Unterschiede aus; geschichtlich, systempolitisch und hinsichtlich der ethnischen Zusammensetzung. Deshalb ist es unangemessen, beide Länder zusammen darzustellen. Ferner ist anzumerken, dass ich mich primär mit dem Iran und nur am Rande mit dem Irak befasse. Deshalb wage ich ausschließlich über den Iran eine Diagnose abzugeben.

Aber auch mit dem Iran habe ich mich nur als Menschenrechtler und überparteilicher Systempolitiker im Hinblick auf Minderheiten versus Mehrheit, Zentralismus versus Föderalismus beschäftigt, Artikel verfasst bzw. wissenschaftliche Aufsätze ins Persische und Kurdische übersetzt und in iranischen Printmedien, aber vorwiegend im Internet, publiziert,  und nicht etwa als Wissenschaftler. Eine Zusammenstellung meiner Artikel und Übersetzungen findet man in meiner Homepage, www.iran-federal.com.

Da ich davon ausgehe, dass es Ihnen nicht um ein wissenschaftliches Gutachten geht, antworte ich nur kurz auf die gestellten Fragen und gebe keine ausführliche Einschätzung der Lage ab.

Ferner muss darauf hingewiesen werden, dass gewisse Begriffe in der politischen Sprache der bedrohten Völker Irans negativ belegt sind wie etwa „ethnische Gruppe“ und „Minderheit“. Diese Völker seien keine „ethnische Gruppen“, weil sie beispielsweise im Falle der Aserbeidschaner über 30 Millionen ausmachen, politischen Willen hätten, in ihren angestammten Siedlungsgebieten sesshaft seien…, und keine Minderheit seien, weil sie in ihren Gebiete die absolute Minderheit bildeten. Im Iran habe kein einziges Volk allein landesweit die Mehrheit, so die häufigste Argumentation.

 

Zur Person:

Ich, 46 Jahre alt, verheiratet (zwei Kinder), stamme aus Iranisch-Kurdistan, lebe seit 1984 in der Bundesrepublik Deutschland, habe in Dortmund Journalistik (Hauptfach) und deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft (Nebenfach) studiert, bin von Beruf beeidigter Dolmetscher und ermächtigter Übersetzer für Persisch und Kurdisch, bin parteipolitisch unabhängig, weltanschaulich Humanist und politisch Sozialdemokrat, engagiere mich eher publizistisch hauptsächlich zum Thema ethnisch-nationale Vielfalt im Iran und föderale Lösungsmöglichkeiten.

 

1. Wie bewerten Sie die Lage der Menschenrechte von ethnischen, religiösen und sexuellen Minderheiten im Iran und Irak? Wie ist deren gesellschaftliche Rolle? Wo gibt es gruppenspezifische Unterschiede? Welche Minderheiten sind besonders bedroht?

Bei der Islamischen Republik Iran handelt es sich ethnisch, religiös, konfessionell und sexuell um ein chauvinistisches Regime, in dem

-          Angehörige der nichtpersischen Ethnien wie die Kurden, Balutschen, Araber, Turkmenen und Aserbaidschaner,

-          Angehörige der nichtislamischen Religionen wie die Bahai, Christen, aber auch Angehörige anderer Weltanschauungen wie die Marxisten,

-          Angehörige der nichtschiitischen Konfessionen wie die Sunniten und

-          Homosexuelle

diskriminiert und bei Widerstand unterdrückt werden.

Hier ist die Rede nur von Minderheiten. D. h., damit ist nicht gesagt, dass die islamische Regierung keine anderen negativen Eigenschaften hat. Denn diese Regierung unterdrückt zugleich auch Frauen und politisch Andersdenkende. Und diese sind sogar in der Mehrheit.

Die Diskriminierungen sind unterschiedlich stark ausgeprägt und umfassen Aspekte der Partizipation am politischen Leben, Ungleichbehandlung im Rechtssystem und teilweise Ausschluss aus dem öffentlichen Leben, Verbot der Kulturpflege, Verbot der nichtpersischen Sprachen in der Verwaltung und im Bildungssystem usw.

Je mehr man minderheitenspezifische Eigenschaften hat, desto stärker ist man der Diskriminierung ausgesetzt.

Die Diskriminierungen sind in erster Line in der staatsphilosophischen Auffassung, „der Iran sei eine Nation und ein Staat“, begründet, die sich durch die gesamte iranische Verfassung hinzieht. Die Hauptcharakteristika „der iranischen Nation“ wären laut Verfassung die schiitische Konfession und die persische Sprache. Der iranische Staat ist dementsprechend auf diesen zwei Elementen gebaut (siehe Art. 12 und 15 der Verfassung der Islamischen Republik Iran).

Diese Ungerechtigkeiten existierten auch unter Herrschaft der mehr oder weniger säkularen weltlichen Pahlavi-Dynastie. Nach der Revolution 1979 kam aber auch noch das theokratische Element des Regierungssystems hinzu, das die islamisch-schiitische Lehre zum Maßstab und zur Grundlage des gesamten Systems gemacht hat. Wenn vor der Revolution der Schwerpunkt auf nationale Diskriminierung der nichtpersischen Nationalitäten lag, wurde er nach der Revolution erweitert, indem die Nichtschiiten, die den Großteil der Kurden, Balutschen, Araber und Turkmenen ausmachen, einer stärkeren Diskriminierung, Ausbeutung und Bedrohung ausgesetzt wurden.

Es gibt keine hundertprozentig zuverlässigen statistischen Angaben über die Anzahl der nichtpersischen Bevölkerung Irans. Die Regierung spricht von 51 Prozent der Gesamtbevölkerung. Selbst wenn man dieser Angabe Glauben schenkt, wird das Ausmaß der Diskriminierung und des breiten diskriminierenden Personenkreises deutlich, der beispielsweise keine höhen politischen Ämter wie Minister, Provinzgouverneure, Staatspräsident bekleiden kann. Die Angehörigen dieser sogenannten „ethnischen Gruppen“ dürfen nicht einmal in den iranischen Auslandsvertretungen wie Botschaften und Konsulaten arbeiten. Ihnen ist verboten, in ihren Siedlungsgebieten Autonomie und Selbstverwaltung zu fordern, politische Parteien zu gründen, muttersprachlichen Unterricht zu haben. Die Medien sind im Iran staatlich bzw. werden mit Staatsgeldern teilweise hundertprozentig subventioniert, sind zentralistisch orientiert und organisiert und auf Verbreitung der schiitischen Lehre und Pflege der persischen Sprache angelegt (obwohl in manschen Regionen lokale „Programme“ auf Kurdisch und Aserbeidschanisch gibt, welche jedoch die Übersetzung der „zentralen“ Programme und Nachrichten sind). Die kulturelle Diskriminierung setzt sich im Bildungssystem fort: Während man im Iran beispielsweise Anglistik, Germanistik oder fast jede Sprache der Welt lernen und studieren kann, ist dieses Recht den iranischen Kurden, Aserbeidschanern, Balutschen, Arabern, Turkmenen verwehrt geblieben.

An dieser Stelle ist auch auf das Problem der Apostasie, also Austritt aus dem Islam und Kenversion zu einer anderen Religion, hinzuweisen: Die Apostaten und Konvertiten werden nach Scharia mit dem Tode bedroht. Ein neuerer Gesetzentwurf, der die ersten parlamentarischen Hürden genommen hat, sieht drakonische Sanktionen bis hin zur Todesstrafe für diesen Personenkreis vor.

Das islamisch-schiitische Recht ist auch die Grundlage für die Verfolgung von Andersdenkenden und Minderheiten wie Homosexuellen. Das iranische Strafgesetzbuch (§ 108 bis 134) sieht für homosexuelle Handlungen je nach qualitativer und quantitativer Intensität Auspeitschung bis Todesstrafe vor.

 

2. Sind die beiden Staaten in der Lage und willens, die Minderheiten in ihrem Land zu schützen? Von wem geht die Gefahr aus - von staatlichen Organen, von paramilitärischen Gruppen, von einem gesellschaftlichen Klima, das Gewalt gegen Minderheiten toleriert oder sogar fördert? Welche Rolle spielen die Medien?

Die Islamische Republik Iran ist gemäß ihrer Existenzphilosophie und –Ideologie weder fähig noch willens, die Rechte der Minderheiten im Lande zu achten. Sie ist auf Diskriminierung angelegt. Minderheitenrechte und die islamische Regierung schließen sich aus.

Die von Ihnen angesprochene Gefahr geht vom islamischen Staat in seiner Gesamtheit aus, zumal die drei Staatsgewalten direkt und indirekt von ein und demselben religiösen Führer gelenkt werden. 

Die Gefahr geht aber primär von der nicht reformierbaren starren Ideologie der Machthaber, nämlich dem politischen Islam schiitischer Prägung, aus. Ohne die rassische Lehre wäre die NS-Herrschaft nicht möglich geworden, ohne die islamisch-schiitische Lehre ist die Kleriker-Herrschaft nicht möglich und ohne die Mullah-Herrschaft wird es keine Islamische Republik geben. Das ist auch der Grund für die Unreformierbarkeit des Regierungssystems Iran und dessen antagonistischen Widerspruch zur Demokratie.

Im Iran agieren verschiedene paramilitärische und Parastaatssicherheitsorgane, die sämtlich staatlich finanziert und gelenkt sind wie „das Heer der Islamischen Revolution“, „Basij“. Beim Ersteren handelt es sich um eine Armee neben der regulären Armee und beim Zweiteren um eine Organisation, die zum einen den Nachwuchs für die Revolutionsgarde rekrutiert, zum  anderen als „Ohr und Augen“ des Regimes gilt. Sie arbeitet eng mit der Staatssicherheit und wird bei Gefahr für das Regime „auf die Bühne“ gebracht, um die Gegner und den Westen einzuschüchtern. Die „Basij“ ist teilweise militärisch organisiert und bildet sich teilweise in den Behörden aus den zivilen Angestellten aus und fungiert als Staatsschutz und Bespitzelungs- und Mobilisierungsorgan des Regimes.

Diese verhassten militärischen und halbzivilen Organisationen sind aber als Teile des Staats zu verstehen, denn in gewisser Weise besteht die Staatsführung aus ihnen. Weitere paramilitärische Organisationen gibt es im Iran nicht.

Im Iran gibt es keinen ethnischen Konflikt bzw. Minderheit-Mehrheit-Konflikt. Es gibt nur einen Konflikt zwischen den sogenannten Minderheiten, welche in ihren Siedlungsgebieten Mehrheiten sind, auf der einen Seite und dem islamischen in religiöser, ethnischer und geschlechtsspezifischer Hinsicht chauvinistischen Regierungssystem auf der anderen Seite. Dementsprechend gibt es keine Gewalt der persisch-sprechenden Iraner gegen die Nichtpersisch-Sprachigen. Es gibt auch keinen Konflikt zwischen den Angehörigen der Konfessionen und Religionen. Denn im Gegensatz zum Machtapparat der islamischen Geistlichen sind die Iraner im Grunde genommen keine gläubigen Moslems, so wie die deutsche Bevölkerung zurzeit der Nazi-Herrschaft keine gläubigen Nationalsozialisten waren. Bei der politischen Ordnung Irans handelt es sich zwar um eine reaktionäre schiitische Regierung, sie ist aber keine legitime Vertretung der schiitischen Mehrheit im Iran, zumal sie nicht demokratisch gewählt ist, auch nicht vom vermeintlich schiitischen Bevölkerungsteil.

Etwas anders verhält es sich bei der Behandlung der Homosexuellen: Homosexuelle Handlung wird von der Gesellschaft verpönt und nicht toleriert. Sie stellt aus Sicht der Bürger einen Verstoß gegen die Sittlichkeit dar. Mir ist aber keinen Fall bekannt, bei dem es sich um die Misshandlung von Homosexuellen seitens der Bevölkerung gehandelt hat. Meines Erachtens wird sie von der Bevölkerung stillschweigend toleriert. Bei einem demokratischen System wird dieses Phänomen zur Normalität werden. Die Grundlage hierfür bildet die relative Aufgeschlossenheit der iranischen Gesellschaft. Aber so lange die Islamisten an der Macht sind, ist mit Repressalien gegen Homosexuelle zu rechnen.

Die gleichgeschalteten Medien sind staatlich organisiert und gelenkt. Sie fungieren als die Indoktrierungsorgane des Regimes und propapieren die Linien der Machthaber. Sie genießen aber kein Vertrauen der Bevölkerung, so dass sie ohne die großzügigen Subventionen des islamischen Staates nie überleben. Die wenigen „alternativen“ Printmedien, die sich zwar im Rahmen der diskriminierenden Gesetze bewegen, aber dennoch versuchen, anderen Stimmen Gehör zu verschaffen, sind sehr kurzlebig und werden früh oder spät entweder verboten oder zwangsläufig (angeblich aus „finanziellen“ Gründen) eingestellt.

Im Großen und Ganzen machen die Medien aber keine offene Stimmung gegen die Minderheiten, auch nicht die staatlichen. Eine Ausnahme war die ersten Jahre nach der Machtergreifung der Mullahs, in denen gegen die kurdischen Parteien Stimmung gemacht wurde.

Die Informationsquelle der Iraner sind die Radio- und Fernsehsendungen der Opposition und des angeblich verhassten Westens wie Stimme Amerikas, Radio Farda, BBC, Französisches Radio, Radio Israel, Deutsche Welle. Allein diese Tatsache zeigt, wie unbeliebt und unglaubwürdig die iranischen Medien aus der Sicht der Bevölkerung sind. Gerade deswegen werden sie es sehr schwer haben, die Bevölkerungsgruppe gegen die andere aufzuhetzen.

 

3. Mit welchen Maßnahmen könnte die internationale Gemeinschaft die Lage der Minderheiten verbessern? Gefährdet möglicherweise ausländische Hilfe einzelne Minderheiten? Welche Hilfsmöglichkeiten hat Deutschland?

Die internationale Gemeinschaft muss die Lage der Minderheiten verstärkt zum Thema machen. Ein Instrumentarium ist beispielsweise UNPO. Ich wünsche mir eine verstärkte Zusammenarbeit der Gesellschaft für bedrohte Völker und der UNPO in diesem Gebiet. Mögliche Maßnahmen können sein:

-          Förderung der wissenschaftlichen Studien über die Lage dieser Minderheiten,

-          Anfertigung von jährlichen Lageberichten und Sensibilisierung der Weltöffentlichkeit über die aktuelle Situation dieser Völker, Thematisierung der ethnisch und religiös bedingten Menschenrechtsverletzungen im Europäischen Parlament und in der UNO,

-          Anregung von Lösungsmöglichkeiten für „nationale Frage“,

-          Abhaltung von Konferenzen, Seminaren und anderen politischen und wissenschaftlichen Tagungen und

-          Ideelle und materielle Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen, aber auch demokratischen politischen Strömungen dieser Völker und deren im Exil befindlichen Medien.

Die Frage, ob die ausländische Hilfe einzelne Minderheiten gefährden könnte, mit einem nachdrücklichen Nein zu beantworten. Das Gegenteil ist eher der Fall. Diese Völker müssen erkennen, dass sie nicht allein sind. Auch die Regierenden müssen damit rechnen, dass die progressive Menschheit nicht tatenlos zusieht, wenn sie Menschenrechtsverletzungen begehen. Die Menschenrechte dürfen nicht zur „inneren Angelegenheit der Staaten“ deklariert und deklassiert werden. Das gilt umso mehr für die kollektiven Rechte der Minderheiten. Die Betonung des zumindest inneren und im Falle der eklatanten Verletzung dieses Rechts des äußeren Selbstbestimmungsrechts dieser Völker wird die Staaten früh oder spät aus Angst vor der Gefährdung der „territorialen Integrität“ des Landes zur Räson bringen.

Das neue demokratische und föderale Deutschland genießt im Nahen Osten ein hohes Ansehen. Es ist jedenfalls nicht wie die alten und neuen Kolonialmächte (Britannien, Frankreich, USA, …) vorbelastet. Hinzukommt seine positive Rolle bei dem palästinensisch-israelischen Konflikt. Ich wünsche mir deshalb ein stärkeres Engagement der Bundesregierung, aber auch der Bundesländer in dieser Frage im Iran und Irak. Ein erster Schritt wäre ein kurdisches Radio- und später Fernseh-Programm im Rahmen der Deutschen Welle.

Der bisherige Kurs der Bundesregierung in der Kurdenfrage war kontraproduktiv. Die Einleitung einer Kehrtwende in dieser Frage ist längst überfällig. Man darf nicht vergessen, dass die nichtkurdenfreundliche Politik der Bundesregierung der Seele und somit auch der Integration der über 600.000 Kurden in Deutschland schadet. Ich wünsche mir, dass die deutschen Menschenrechtsorganisationen, allen voran ai und die Gesellschaft für bedrohte Völker dazu beitragen, dass Deutschland seine Kurdenpolitik im Sinne der Förderung der Demokratie und Einrichtung föderaler Strukturen in Ländern wie dem Iran und Irak, aber auch in der Türkei und in Syrien korrigiert. Im Bereich der Förderung der Wissenschaft können die parteinahen Stiftungen eine große Rolle spielen. Aber auch die Bundeszentrale für politische Bildung vermag durch ihre Veröffentlichungen einen verstärkten Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit und der Versorgung der Medien zu leisten.

 

4. Wie ist die Unterstützung der Minderheiten durch Exilgruppen zu bewerten?

Die iranischen Oppositionsgruppen haben sehr divergierende politische Ausrichtungen. Das Spektrum reicht von den rechten Monarchisten bis zu den linken Sozialisten. Je linker man sich einschätzt, desto wohl besonnener ist man gegenüber den Forderungen der iranischen Nationalitäten Irans. Im Einzelnen sind folgende Lager zu konstatieren:

1)      Monarchisten, Konstitutionalisten und die übrigen Paniranisten wie die Anhänger der „Nationalen Front Iran“, die „National-Religiösen“ vertreten die Auffassung, dass es in der Vergangenheit (Schah-Zeit) keine bewussten und systematischen Diskriminierungen gegeben habe, obwohl der Umgang mit den „ethnischen Gruppen“ gezwungenermaßen nicht fehlerfrei gewesen sei. Die Problematik sei aber von außen und den Nachbarn geschürt worden. Die „ethnischen Gruppen“, die zusammen die „iranische Nation“ ausmachten, hätten keine Probleme miteinander. Die Lösung sei „Dezentralismus in der Verwaltung und lokale Regierungen unter Wahrung der „territorialen Integrität“. Grundlage müsse die Internationale Menschenrechtsdeklaration der UNO sein. Alle müssten in ihren Siedlungsgebieten ihre Muttersprache neben der „nationalen“, „offiziellen“ und „gemeinsamen“ persischen Sprache erlernen dürfen.

Das ist jedoch die radikalste und progressivste Auffassung dieser Strömung, in der auch Meinungen zu finden sind, die dem Faschismus nahe stehen.

2)      Die radikalen Kommunisten/Sozialisten erkennen in der Regel das Selbstbestimmungsrecht der iranischen Völker an, betonen aber, dass sie für den freien Zusammenhalt des jetzigen Iran sind. Dann spalten sie sich in der Frage, was passieren soll, wenn diese Völker für den Verbleib im Iran votieren: Einige pochen lediglich auf gleiche Bürgerrechte. Die anderen aber schlagen „Räteföderalismus“ vor.

3)      Die gemäßigten „demokratischen“ Linken sind für den Föderalismus, etwa nach Vorbild Deutschlands und lehnen „den ethnischen Föderalismus“ ab, weil sie Konflikte wie Jugoslawien befürchten. Diese Meinung ist in den Organisationen dieser Strömung jedoch noch nicht gefestigt. Die Diskussion ist unter ihnen, aber auch unter den Mitgliedern einzelner Organisationen im vollen Gange.

4)      Die Parteien der iranischen nichtpersischen Nationalitäten fordern in der Regel Föderalismus, jedoch müsse die Aufteilung in Ländern oder Bundesstaaten nach ethnischen Kriterien erfolgen.

In den vergangenen Jahren sind Organisationen gegründet worden, die das Ziel der Selbständigkeit und Gründung des eigenen Staates verfolgen. Es handelt sich dabei aber um kleine Splittergruppen, die keinen Rückhalt in der Bevölkerung besitzen. Ob dies auch in der Zukunft so sein wird, hängt meines Erachtens davon ab, wie die sich als „iranisch“ und „landesweit“ bezeichnenden Organisationen der „Mehrheit“ sich in dieser Frage positionieren. Je länger sie sich vor einer akzeptablen und für viele föderalen Lösung sperren, desto radikaler wird die Gegenreaktion der Aktivisten der iranischen Nationalitäten.

Die größten und anerkanntesten nichtpersischen politischen Parteien sind die „Demokratische Partei Kurdistan Iran“ (und die sich von dieser abgezweigte „Demokratische Partei Kurdistan) und die „Partei Komala Kurdistan Iran“ (auch hier einschließlich der sich abgespaltenen „Komala der Werktätigen Kurdistans“). Beide sind für den Verbleib in einem föderalen demokratischen Iran.

Auch ich persönlich vertrete die Auffassung, dass die nationale Frage im Iran ohne ein föderales System nicht zu lösen ist. Dieses System soll auf vier Säulen basieren:

a)      einem breitem Dezentralismus, Gründung von regionalen Regierungen mit weitreichenden Befugnissen in allen drei staatlichen Gewalten und vor allen in Fragen der Kulturhoheit.

b)      der gleichzeitigen proportionalen Beteiligung dieser Regionen an der föderalen Führung des ganzen Landes, sei es durch eine zweite Kammer oder direkte Beteiligung an der Regierung etwa wie in der Schweiz  

c)      einem funktionierenden Minderheitenschutzmechanismus für den Schutz von Bevölkerungsteilen innerhalb von Ländern, in denen sie eine Minderheit bilden.

d)      den gleichen Bürgerrechten für alle, auch in Form von persönlicher Autonomie, damit kein Bürger im ganzen Iran diskriminiert wird.

Ich beobachte eine zunehmende Einsicht der iranischen Intellektuellen in dieser Frage. Föderalismus ist zu Leitthema und Hauptforderung vieler Organisationen geworden. Er erfreut sich auch im Iran eine zunehmende Resonanz. Nicht selten sind im Iran Artikel in den Printmedien veröffentlicht worden, in denen die Autoren sich offen für Föderalismus aussprechen. In den letzten Wochen haben sich sogar einige Präsidentschaftskandidaten im Iran für den Föderalismus ausgesprochen, was für den Iran völlig neu ist.

 

5. Wie bewerten Sie die Situation der seit dem 1. Weltkrieg vertriebenen christlichen Assyrer in den Ländern Iran und Irak? Lässt sich hinter den Vertreibungen eine Strategie ausmachen, die den gesamten Nahen und Mittleren Osten betrifft? Ist diese Gruppe als ethnische oder religiöse Minderheit anerkannt? Wie viele Angehörige dieser religiösen Gruppe leben heute im Exil? Welche Perspektiven einer Rückkehr sehen Sie für die christlichen Assyrer in ihre vormaligen Wohngebiete?

Oben wurde ausgeführt, dass gemäß der religiösen Natur des Regierungssystems und durch die Tatsache, dass der Islam für die „offizielle“ Religion, Schiitentum für die „offizielle Konfession“ und die persische Sprache für die „offizielle Sprache“ des Landes erklärt wurde, sind andere Religionen, Konfessionen und Sprachen de facto „inoffiziell“, obgleich an anderer Stelle der Verfassung die Sunniten und Angehörige der Religion der Zarathustra, des Christentums (Armenier) und des Judentums als Minderheiten anerkannt werden. Sie sind aber in der Wirklichkeit verschiedensten Diskriminierungen ausgesetzt. Um ein Beispiel zu nennen: Die Sunniten haben nicht einmal das Recht, in der Hauptstadt der Islamischen Republik Iran eine Moschee zu errichten. Man kann sich dann ausmalen, was den Angehörigen anderer Religionen geschieht. Dennoch konnte ich bis jetzt nach meiner subjektiven passiven Beobachtung keine systematische Vernichtungs- oder Vertreibungsstrategie im Iran erkennen.

 

6. In vielen islamisch geprägten Ländern werden Homosexuelle und Transsexuelle diskriminiert und verfolgt. Wie ist im Ländervergleich deren Lage im Irak und in Iran?

Siehe oben.

 

7. Unter welchen Bedingungen sollte der EU-Menschenrechtsdialog wieder aufgenommen werden?

Wenn überhaupt, dann:

-          muss der Dialog öffentlich und transparent sein.

-          müssen Menschenrechtsbeobachter in den Iran reisen und sich dort ohne Einschränkung bewegen können und vor allem in Regionen wie Kurdistan, Aserbeidschan, Belutschistan, Khuzestan und Turkmensahra reisen, um sich vor Ort ein Bild der Lage machen zu können.

-          müssen die Zusagen des Iran Konsequenzen haben. Bei Verstoß muss er mit Sanktionen rechnen.

Persönlich halte ich solchen „kritischen Dialog“ nicht für erfolgversprechend (was die deutschen Außenminister Kinkel und Fischer nicht geschafft haben, schaffen die wohlwollenden gutwilligen Menschenrechtler mit so einem Dialog auch nicht.) Die iranische Regierung spielt mit der Weltöffentlichkeit, versucht sie in die Irre zu führen. Glaubten die iranischen Machthaber in dieser Frage an einen Dialog, hätten die iranischen Nationalitäten die eigentlichen Gesprächspartner sein können. 30 Jahre sind aber mehr als genug, um das wahre Wesen dieses Regimes einschätzen zu können. Das iranische Regime glaubt nicht an Werte wie Menschenrechte und Demokratie. Es verteufelt sie sogar als Verwestlichung und „kulturelle Inversion“. Kein rationaler Mensch kann glauben, dass die iranischen Machthaber durch sanften Dialog zur Vernunft zu bringen sind. Wir haben nicht vergessen, dass sie den damaligen Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistan Iran, Dr. Ghassemlou, zur Verhandlung eingeladen, ihn aber dann ermordet haben. Diese Strategie verfolgt das Regime auch in Fragen der Kernenergie und in Irak- und Afghanistan-Frage.

 

8. Wie ist die Lage der Kurden im Iran zu beurteilen? Gibt es länderübergreifend gemeinsame Interessen von irakischen und iranischen Kurden? Werden die iranischen Kurden aus ethnischen oder religiösen Gründen unterdrückt? Welche Bedeutung hat für iranische Kurden die Autonomie der irakischen Kurden im Norden?

Kurdistan, die Siedlungsgebiete der Kurden, besteht hauptsächlich aus vier Provinzen West-Aserbeidschan (um die Hälfte der Bevölkerung dieser Provinz sind Kurden und die Hälfte Azeris), Kurdistan, Kermanshah und Ilam. Diese Provinzen liegen im Westen Irans. Kurden leben auch in der Provinz Khorasan, die im Osten Irans liegt. Die Anzahl der Kurden wird auf 10 Millionen geschätzt. Ihnen werden im Iran das äußere und sogar das innere Selbstbestimmungsrecht abgesprochen. Sie haben in ihren Siedlungsgebieten, in denen die Mehrheit sind, nicht einmal die Rechte einer Minderheit. Schlimmer: Sie haben nicht einmal die gleichen Bürgerrechte, welche etwa die persischsprachigen Bürger haben. Das drückt sich in politischer, wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Benachteiligung, Rückständigkeit und Abhängigkeit aus. Um dem entgegenzuwirken, setzen sie sich seit 64 Jahren für nationale Befreiung vom inneren Kolonialismus ein, und zwar in Form von innerer Autonomie für Kurdistan und Föderalismus und Demokratie für den Iran.

Die Assimilationspolitik á la Atatürk und Reza Schah, welche von den Rechten und Paniranisten als „Modernisierung“ und „Festigung der Einigkeit“ Irans bezeichnet wird, ist kläglich gescheitert. Die nichtpersischen und nichtschiitischen Völker Irans sind nicht nur nicht zu Persern und Schiiten geworden, sondern fordern heutzutage viel mehr als vor etwa 60 Jahren. Während die Kurden Jahrzehnte lang sich nur mit der Forderung von elementaren Grundrechten wie der Aufhebung des Verbots der kurdischen Sprache als Bildungs-, Medien- und Verwaltungssprache und Gewährung eingeschränkter Autonomierechte begnügten, fordern sie heute weit mehr bis hin zur Möglichkeit der Abspaltung aus dem Iran und Gründung des eigenen Staates, sollte der Versuch, föderale Strukturen einzuführen, scheitern. Jedenfalls wird die Unabhängigkeit nicht mehr ausgeschlossen. UND: Während die Kurden mit Ausnahme der aserbeidschanischen Bewegung 1945-1946 in den letzten 5 – 6 Jahrzehnten alleine waren, haben sich vor allem in den letzten 10 Jahren auch die anderen unterdrückten und bedrohten Völker Irans diesem Kampf angeschlossen.

Die Kurden sind mehrheitlich Sunniten. Und als Sunniten werden sie auch aus konfessionellen Gründen benachteiligt. Nicht von ungefähr ist das Zentrum der kurdischen Nationalbewegung in „West-Aserbeidschan“, also der Provinz, in der die Kurden samt Sunniten sind.

Ich möchte an dieser Stelle betonnen, dass es sich bei der Kurdenbewegung nicht um eine nationalistische Bewegung handelt, sondern lediglich um eine national-demokratische. Die einflussreichsten kurdischen Parteien sind sozialistisch im Sinne einer linken Sozialdemokratie. Sie versuchen eine gute Beziehung zu den Intellektuellen und Organisationen der nichtkurdischen Iraner zu pflegen.

Selbstverständlich gibt es gemeinsame länderübergrafende Interessen der Kurden. Die Kurden unterstützen sich sogar. Einige Jahre hat die Patriotische Union Kurdistans (Irak), deren Vorsitzender nun der irakische Präsident ist, sogar militärische Unterstützung von den kurdisch-iranischen Parteien erhalten. Nun gibt es die Hilfe in die andere Richtung. Die kurdische Seele ist die gleiche. Ein Beispiel: Als die föderale Verfassung Iraks im irakischen Parlament unterschrieben wurde, war die erste Nachrichten des kurdisch-irakischen Fernsehens, u. z. unmittelbar nach der Unterzeichnung der Verfassung, die, dass in Mahabad (Iranisch-Kurdistan) die Bevölkerung auf die Straße gekommen sind und sich unter Flagge Kurdistans mit dem Föderalismus im Irak solidarisiert haben, obwohl dies verboten war und die Aktion mit Repressalien des Regimes gewaltsam beendet wurde. Das Gleiche ist in einer anderen Zeit in Ghamishlo (Syrien-Kurdistan) passiert. Oder wenn Öcalan (der Führer einer kurdischen Organisation aus der Türkei) entführt wurde, erlebten wir in den meisten Städten Iranisch-Kurdistans einen Massenaufstand, der von den islamischen Machthabern niedergeschlagen wurde. Das alles zeugt von der Existenz einer Nation.

Dass dies selbst von den kurdischen Parteien nicht immer beachtet, oder sogar dagegen gehandelt wird, ist eine andere Frage. Dies zu behandeln, würde den Rahmen der Befragung sprengen.

Die Autonomie der Kurden im „Nordirak“ ist für die Kurden im Iran enorm wichtig. Selbstverständlich hat dieser Umstand auch seine negativen Seiten, etwa indem die Aktivitäten der dort stationierten kurdischen Parteien auf Druck des Iran und um diesen Versuch nicht zu gefährden, eingeschränkt werden. Die positiven Auswirkungen sind aber unvergleichbar groß. Das zeigt beispielsweise die Präsenz dieses Themas in den kurdisch-iranischen Medien. Diese Erfahrung bestärkt die iranischen Kurden in ihren Bestrebungen, an Föderalismus und Autonomie zu gelangen.

 

9. Wie ist die Lage der armenisch-stämmigen Bevölkerung im Iran zu beurteilen?

Abgesehen von dem, was oben gesagt wurde, habe ich keine Informationen. Ich maße mir nicht an, mich über all diese Umstände zu äußern. Das, was ich aber mit Sicherheit sagen kann, ist die Tatsache, dass die Armenier im Iran wie die anderen religiösen und nationalen Minderheiten in der Bevölkerung großes Ansehen genießen, so dass sie völlig in der Gesellschaft integriert sind.

Aber die regierenden Kleriker und die politischen Entscheidungsträger haben eine andere Beziehung zu dieser Minderheit. Ein Beispiel: wenn nachgewiesen wird, dass sie unter den Moslems missionieren, also für ihren Glauben werben, werden sie bestimmt nicht sanft behandelt. Was ist das dann für eine Religionsfreiheit, wenn man sich verstecken muss.

Problematisch wird es auch werden, wenn zwei Iraner, z. B. ein moslemischer Junge und ein armenisches Mädchen sich lieben und zu heiraten beabsichtigen. In dem Fall muss das Mädchen ihre Religion verlassen und zum Islam konvertieren.

So hat die Behandlung der nichtmoslemischen Religionen Züge des religiösen Faschismus.

 

10. Wie beurteilen Sie die Situation der Azeris im Iran? Sehen Sie eine systematische Diskriminierung dieser ethnischen Gruppe?

Die Azeris sind mehrheitlich Schiiten, so dass bei ihnen keine konfessionelle Benachteiligung stattfindet. Sie sind auch im politischen und wirtschaftlichen Gefüge des iranischen Staates integriert. Dennoch haben sie keine politischen und vor allem keine ausreichend kulturellen Rechte. Sie haben – übrigens wie die Kurden – gewisse lokale Fernseh-und Radio-Programme in türkischer Sprache. Mehr haben sie aber nicht, so dass auch sie im Endeffekt gezwungen sind, sich zu guten „Iranern“, sprich Persern, assimilieren zu lassen. Obwohl sie zahlenmäßig die größte nationale „Minderheit“ im Iran sind, haben sie nicht einmal das Recht auf muttersprachlichen Unterricht, so dass man den Schluss ziehen muss, dass auch sie als eine Nationalität diskriminiert werden. 

 

11. Wie bewerten Sie den Umgang der iranischen Regierung mit den ethnischen Gruppen der Balutschen und Sistanis im Grenzgebiet zu Afghanistan und Pakistan?

Ich glaube die Balutschen gehören zu den benachteiligsten Völkern Irans. Das, was in bezug auf die Kurden gesagt wurde, trifft im Falle der Balutschen in einem sehr stärkeren Maße zu. Das ist jedoch mein subjektiver Eindruck. Gesicherte Informationen hierüber habe ich aber leider nicht.

 

12. Welche Erkenntnisse haben Sie über die Situation der Turkmenen im Grenzgebiet zu Turkmenistan? Sind Sie der Auffassung, dass es innerhalb dieser Gruppe sezessionistische Tendenzen gibt?

Das, was ich im Bezug auf die Balutschen gesagt habe, gilt auch für Turkmenen.

 

13. Wie ist die Lage der auf rund 300.000 Menschen geschätzten Christen im Iran, wie können sie ihr in Art. 13 der Iranischen Verfassung festgelegtes Recht auf freie Ausübung ihrer religiösen Riten in der Praxis wahrnehmen und gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Glaubensgemeinschaften in diesem Kontext?

Ich vertrete die Auffassung, dass die von ihnen zitierte Religionsfreiheit nur in einem säkularen und religiös wertneutralen Staat gegeben sein und gewährleistet werden kann. Das zeigt die Situation der Christen im islamischen Staat Iran immer wieder aufs Neue. Und da unterscheide ich nicht zwischen den einzelnen Glaubensgemeinschaften. Ich habe keine genaue Ahnung, wie frei die Christen im Iran in der Ausübung ihrer Sitten sind. Mein Menschenverstand sagt mir aber, wirklich frei können sie nicht sein, wenn das die größte nichtschiitische, aber immerhin islamische Glaubensgemeinschaft der Minderheiten, nämlich die Sunniten, im islamischen Gottesstaat nicht ist. Bezeichnenderweise sind die meisten Kurden, Balutschen, Araber und Turkmenen keine Schiiten, sondern Sunniten, so dass sie auf rund 20 Prozent der Bevölkerung kommen, und nicht wie angegeben 10 Prozent. Das zeigt das Ausmaß der Unfreiheit hinsichtlich der Ausübung der religiösen Sitten usw.

 

14. Haben Sie Kenntnis davon, dass es regelrechte Leitfäden für die Schutzgelderpressung bzw. Entführung von Christen zur Lösegelderpressung im Irak geben soll? Sind Ihnen Fälle von Zwangsverheiratungen von Christinnen zur Zwangsislamisierung bekannt und wie verhalten sich ggfs. die staatlichen Organe bei solchen Fällen in der Praxis?

Nein.

 

15. Ist bekannt, wie oft der Vorwurf der Verschwörung oder anderer Aktivitäten gegen den Islam und die Islamische Republik Iran (z.B. Spionage) erhoben wird, damit Christen und Juden ihren Schutz der freien Religionsausübung nach Art 13 der iranischen Verfassung verlieren?

Nein. Aber diese Vorwürfe sind zu Standardfloskeln der iranischen Machthaber geworden: Wenn ein Nichtmoslem verhaftet wird, ist der Vorwurf erfahrungsgemäß „Spionage“. Wird ein Nichtperser verhaftet, laut die Beschuldigung sofort „Separatismus“. Und bei Frauen ist in der Regel der „Ehebruch“ im Vordergrund. Der zitierte Artikel 13 der Verfassung ist nichts mehr als ein Deckmantel, eine Mogelpackung für alle die Ungerechtigkeiten. Art. 15 spricht von „Unbedenklichkeit“ des muttersprachlichen Unterrichts in den staatlichen Schule. Wurde er bis jetzt praktiziert? Dieselbe Verfassung spricht vom Verbot der Zensur. Können Sie einen Iraner, der in Haft war, dem vor allem Spionage, Separatismus u. ä. vorgeworfen war, finden, der nicht bestialisch gefoltert worden ist? Es würde genügen, wenn man einen kurzen Blick auf die Berichte der internationalen Menschenrechtsorganisationen in bezug auf den Iran wirft. Deswegen sollte man diesem Artikel keine Bedeutung beimessen.

 

16. Wie ist die Lage von Mitgliedern der Bahá´i im Iran zu beurteilen? 

Ich weiß nur, dass die islamische Regierung kein Erbarmen mit Bahais hat. Gesicherte Informationen habe ich selber nicht. In meiner Heimatstadt Mahabad seien Leute hingerichtet worden, nur weil sie Bahais waren. Das ist ein offenes Geheimnis.

 

17. Welche Auswirkungen hat im Iran die vor kurzer Zeit in erster Instanz verabschiedete Strafrechtsnovelle wegen „Abfalls vom Glauben“? Wie ist die Situation von Konvertiten?

Ich gehe davon aus, das würde zu mehr Repressalien gegen die Konvertiten führen. Vergessen wir nicht, dass bereits Zehntausende Iraner hingerichtet worden sind: Vorwurf: „Krieg gegen Gott“, „Verdorben auf der Erde“ usw. Die Vorwürfe wurden gegen die Anhänger der linken Organisationen und der Volksmojahedin Irans erhoben. Ich hatte in der Vergangenheit den Eindruck, dass Konversion (beispielsweise zum Christentum) härter bestraft wird als Apostasie generell, etwa wenn man sich zum Humanismus oder Existenzialismus bekennt.

 

18. Wie beurteilen Sie die Situation der Sunniten im Iran, die mehr als 10 % der Bevölkerung ausmachen, aber als religiöse Minderheit diskriminiert und aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit (z.T. Kurden, Turkmenen, Balutschen, Taleschis etc.) unterdrückt werden?

Siehe die Antwort 13.

 

19. Wie ist die Entwicklung hinsichtlich der Anwendung des Art. 110 des iranischen Strafgesetzbuches?

Kann ich nicht beurteilen.